Best Practice im Lehrlingsrecruiting

Die Suche und Auswahl von Lehrlingen ist aus meiner Sicht eine der größten Herausforderungen im Recruiting. Nicht nur, dass wir es mit einer Zielgruppe zu tun haben, der wir im Normalfall nicht (mehr) nahe genug sind, um zu wissen, wie sie kommuniziert und was sie wirklich interessiert, müssen wir noch eine zweite Zielgruppe im Blick haben: die Eltern. Und als wäre das nicht genug, gilt es in den meisten Fällen auch noch im eigenen Unternehmen Überzeugungsarbeit zu leisten: bei Führungskräften und Mitarbeiterinnen. Denn nach der Auswahl und Einstellung folgt die Betreuung und das Lernen im Job. Und diese kann und soll HR nicht über die gesamte Lehrzeit leisten. Und während die meisten Führungskräfte gerne einen gut ausgebildeten Lehrling einsetzen möchten, wollen die wenigsten ihren Teil dazu beitragen.

Und als wäre das nicht genug, gibt es den vielzitierten Fachkräftemangel im Lehrlingsrecruiting schon längst. Für klassische Lehrberufe wie Bürokauffrau sind 300 Bewerbungen keine Seltenheit, für eine Lehre als Köchin gibt es zum Teil keine einzige Bewerbung. Dieses Phänomen kennen wir natürlich von anderen Jobfunktionen auch, aber aus 300 Bewerbungen auswählen, die sich annähernd gleichen – welche Kriterien sind für die Vorselektion passend? 300 Mädchen und Burschen einfach einladen? Kann funktionieren. Bedeutet einen hohen organisatorischen Aufwand. Wie gut gestaltetes Recruiting für Lehrlinge immer! Würde ich trotzdem dazu raten? Ja, unbedingt. Wenn ein paar Grundsatzfragen geklärt sind und die Übernahme nach einer für beide Seiten erfolgreich verlaufenen Lehrzeit gewährleistet ist.

Im März und April läuft üblicherweise die Suche nach Lehrlingen in Österreich auf Hochtouren. Per Ende März waren laut AMS fast 20.000 offene Lehrstellen gemeldet. Dem gegenüber stehen knapp 10.000 Lehrstellensuchende. Kein Wunder, dass sich auch das Lehrlingsrecruiting innovativer Ansätze bedienen muss. Einige möchten wir heute vorstellen: Best Practice Anregungen für die Lehrlingssuche.

Über die Lehrlingsoffensive in der Raiffeisen Lagerhaus GmbH und Lehrlingsrekruting 4.0 bei Schoeller-Bleckmann Edelstahlrohr GmbH hat Eva Selan auf hrweb erst kürzlich berichtet.

Die gebrandeten Autos von Elektro Kagerer sind mir schon im Juli 2015 aufgefallen. Heuer wurde im März zu einem Wuzelturnier in der Linzer Plus City eingeladen. Absolut lohnenswert auch ein Blick auf die eigens eingerichtet Website, wo potenzielle Lehrlinge einen tollen Einblick in das Unternehmen und zum Ablauf des Bewerbungsverfahrens erhalten.

„Lehre wie ich will“ lautet der Slogan von T-Mobile und macht vor, wie Marke und Employer Branding zusammen spielen. Geworben wird unter anderem auf Facebook, es gibt eine informative Website und einen eigenen WhatsApp-Channel.

Eine Lehrlingsrallye hat der ÖAMTC heuer erstmalig veranstaltet, den Bericht dazu hat Herwig Kummer auf personaleum geschrieben.

dm wirbt für Lehrstellen als Friseur/in. Die eigenes für Lehrstellen gestaltete Karriereseite ist nicht nur informativ, sondern hält auch vielfältige Informationen bereit. Der Auswahlprozess ist kurz und prägnant dargestellt auch die wichtigsten Infos sind mit wenig Text aufbereitet.

Stichprobenartig habe ich – aus Lehrlingssicht – 2 Lehrstellen für zwei unterschiedliche Lehrberufe gegoogelt und bin erstaunt über das Ergebnis:
„Lehrstelle IT Techniker“ führt mich nur zu einem Unternehmen nämlich Spar, alle anderen Suchergebnisse sind von (Meta-)Suchmaschinen. Hier gibt es offensichtlich nur Optimierungspotential 😉. Spar gibt nicht nur (wie viele andere auch, ob diese wirklich gelesen werden ist eine andere Frage) Bewerbungstipps, sondern stellt sogar Mustervorlagen für die angehenden Lehrlinge zur Verfügung.

Für die 2. Suche „Lehrstelle Koch“ findet sich auf der ersten Ergebnisseite kein einziges Unternehmen. Wenn ich noch die Region Wien zur Suche hinzufüge, findet sich die Stadt Wien als einziges Unternehmen auf der ersten Seite der Ergebnisse.

Vielleicht hat es sich noch nicht herumgesprochen, aber die Generation Z sucht mit Sicherheit anders nach Lehrstellen. Google wäre ein Anfang. Und hier bitte überlegen, welche Suchbegriffe aus Sicht der Lehrstellensuchenden passen. In diesem Zusammenhang ist Mobile Recruiting übrigens kein add on sondern ein must have. Sehr verwunderlich, dass im Verhältnis zu den offenen Lehrstellen nur sehr wenige entsprechende Angebote, beispielsweise auf hokify, zu finden sind.

Einen ganz anderen Ansatz gab es am 02. Mai beim ersten Speed Recruiting Format für Lehrlinge im Rahmen der Aktion 10.000 Chancen. Hier haben an einem Tag 5.400 Bewerbungsgespräche stattgefunden mit dem Ziel, 300 Lehrstellen zu besetzen. Weitere Events in ganz Österreich sind geplant.

Es gibt sicher noch zahlreiche andere tolle Beispiele. Ich hoffe, es waren ein paar Anregungen dabei, die im nächsten Jahr umgesetzt werden können.

Mein Fazit: Die Zeit der Lehrlingscastings ist offensichtlich vorbei und die Zielgruppe einzubinden schadet nie.

Herzliche Grüße
Claudia

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