Mein erstes Mal

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Recruitingpraxis

Über meine erste Erfahrung als Bewerberin habe ich schon berichtet. Aber natürlich gibt es auch ein erstes Mal auf Recruitingseite. Und um die Spannung gleich vorweg zu nehmen: ich habe mich nicht mit Ruhm bekleckert. Im Geiste habe ich mich sicher schon 100 Mal bei der Bewerberin entschuldigt. Nach dieser Erfahrung wollte ich erstmal nichts mehr von Recruiting wissen. Und ich war nicht schuld (natürlich nicht 😉).

Aber von Beginn an: Ich war Anfang 20 und hatte einen Job in einem kleinen Unternehmen mit dem Schwerpunkt externe Personalentwicklung für Führungskräfte, Vertrieb und Projektmanagerinnen. Dort war ich für PR, Marketing und Projektkoordination zuständig, was ich wirklich gerne gemacht habe. Eines Tages ruft mich mein damaliger Chef an und verkündet: „Du Claudia, ich hätte in 10 Minuten ein Vorstellungsgespräch mit einer potenziellen Trainerin. Das geht sich bei mir aber nicht aus, mach du das bitte.“

Ja eh. Meine Erfahrung im Recruiting war bis dahin auf genau fünf Vorstellungsgespräche beschränkt, die ich als Bewerberin geführt habe. Drei für meinen Einstiegsjob direkt nach der Matura, eines für den Nebenjob als Studentin und das letzte eben mit meinem aktuellen Chef. Da fühlt man sich doch ausreichend gewappnet, um jetzt mal schnell ein Bewerbungsgespräch mit einer 35-jährigen Psychologin zu führen.

Fragetechnik, Gesprächsführung, Arbeitsrecht – ich hatte keinen Tau! Das hat mich aber natürlich nicht davon abgehalten, mit klopfendem Herzen und (ziemlich sicher) hochrotem Kopf in das Gespräch zu marschieren. Wie das im Detail verlaufen ist, weiß ich offen gestanden nicht mehr. Aber die Irritation der Bewerberin war mehr als spürbar. Sie hatte sich auf ein Gespräch mit dem Geschäftsführer eingestellt und nicht mit mir. Sie wollte auf fachlicher Ebene ihr Können darstellen, aber ich hatte keine Ahnung, was und wie ich fragen soll. Ich konnte zwar ihre wenigen Fragen zu unserem Business problemlos beantworten, aber eigentlich wollte ich doch etwas über sie herausfinden. Das ist mir eher schlecht als recht gelungen, und während der ganzen Zeit habe ich mich extrem unwohl gefühlt. Sie auch. Oder sie war schlichtweg verärgert – absolut nachvollziehbar!

Mein Chef ist dann irgendwann im Büro aufgetaucht und hat mir nur eine Frage gestellt: „Passt sie zu uns?“. Schwierig. Das zu beurteilen, dazu habe ich mich nicht wirklich in der Lage gesehen. Sein Tipp, das Gespräch noch einmal Revue passieren zu lassen, hat auch nicht wirklich geholfen. Neben ihrem CV war nur eines für ihn relevant, nämlich ob sie ins Team passt – oder eben nicht. Ich habe lange überlegt, mir dann unsere Kolleginnen und sie vorgestellt und „nein“ gesagt. Und damit über das Schicksal eines Menschen entschieden. Ich „durfte“ ihr das dann auch telefonisch mitteilen.

Liebe Recruitingeinsteigerinnen, wisst ihr eigentlich, wie gut ihr es heute habt? Google und Co wären in dieser Situation mehr als hilfreich gewesen, stattdessen hätte ich dafür extra in die WU-Bibliothek fahren müssen (und ob ich dann wirklich passende Lektüre gefunden hätte?).

Ich war nicht vorbereitet, schlimmer noch, ich – und damit natürlich das gesamte Unternehmen – war schlicht und einfach unprofessionell. Wäre mir das im Vorfeld bewusst gewesen, hätte ich das Gespräch gar nicht erst geführt. Eher hätte ich mir irgendeine Ausrede ausgedacht und wäre dann einfach einmal beobachtend dabei gewesen.

Heute denke ich ganz bewusst daran und erzähle meine Story auch gerne in den Workshops zum Thema Candidate Experience, um vor allem Führungskräfte – aber auch langjährige Recruiterinnen – (wieder) zu sensibilisieren.

Wie ist es bei dir gelaufen? Wie war dein erstes Mal im Recruiting?

Neugierige & herzliche Grüße
Claudia

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