Qualifikation oder Kompetenz im HR?

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Recruitingpraxis
Ein gängiger Begriff in den meisten Stelleninseraten „Ihre Qualifikation“ und dann folgt eine Aufzählung von (oft sehr ähnlich bis gleichlautenden) ja was denn eigentlich – Qualifikationen oder Kompetenzen?. Im Rahmen ihres Praxisprojektes hat Nancy, Studentin der Wirtschaftspsychologie, unter anderem die Begrifflichkeiten „Qualifikation“ und „Kompetenz“ unterschieden. Hier eine kurze Zusammenfassung und eine Anregungen, das Wording in den Stelleninseraten oder Profilen einfach einmal zu überdenken. Im nächsten Schritt (und einem späteren Blogbeitrag) geht es übrigens über die neuen Anforderungen im Personalmanagement und welche Rolle sie bei der Differenzierung von HR Jobprofilen spielen. Heute vielleicht ein bisschen „trockener“ Stoff aber Recruiting ist ja auch nicht immer lustig ;-).
 
Ein breit angelegtes Kompetenzportfolio wird gefordert. Die Suche nach den entsprechenden Talenten, d.h. Menschen, die wettbewerbsrelevantes Leistungspotenzial besitzen und für Unternehmen von Wert sind, wird immer schwieriger. Ein seit vielen Jahrzehnten oft genutzter Begriff im Anforderungsprofil sind die Qualifikationen. Sie umfassen alle Fähigkeiten und Kenntnisse eines Mitarbeiters bzw. Bewerbers, die für die Ausübung eines Berufes notwendig sind. Über allgemeinbildende Schulen lassen sich die beruflichen und berufsübergreifenden Basisqualifikationen, über Aus- und Weiterbildungen die tätigkeitsbezogenen Spezialqualifikationen erwerben.

Im Laufe der Zeit hat sich ein neuer Begriff durchgesetzt, der häufig als Gegenbegriff zu den Qualifikationen aufgefasst wird, den Kompetenzen. Im Arbeitskontext spricht man auch von beruflicher Kompetenz oder beruflicher Handlungskompetenz. Eck und Rietiker sehen den Begriff Kompetenz (lat. competēns = passend) vielmehr als Erweiterung, Ergänzung oder Präzisierung von Qualifikationen und Anforderungen. Im Unterschied zu Qualifikationen sind Kompetenzen jedoch nicht an Zeugnisse oder Zertifikate gebunden. Es gibt auch die Ansicht, dass Kompetenz und Schlüsselqualifikation gleichbedeutend sind. Beide sind dadurch gekennzeichnet, dass sie u.a. inhaltlich potenziell unbestimmt, ergebnis- und leistungsbezogen, persönlichkeitsgebunden und situationsübergreifend sind. Der „Großvater“ der Kompetenzforschung David McClelland wendete sich von dem damals klassischen Intelligenztests ab und konzentrierte sich als erster auf die sogenannten Kompetenzen, mit denen ein direkter Bezug zu den Leistungen und somit zum Erfolg am Arbeitsplatz abgeleitet werden kann. Dies führte zu einem Paradigmenwechsel in der Personalbeurteilung. McClelland betonte es wie folgt:

If you want to know, how well a person can drive a car (the criterion), sample his ability to do so by giving him a driver´s test.

Kompetenz gilt als Selbstorganisationsfähigkeit, d.h. eine grundlegende Fähigkeit sein Wissen in der entsprechenden Situation einzusetzen. Sie “versetzen den Menschen in die Lage, zumindest potentiell bestimmte Aufgaben bewältigen zu können. Sie stellen jedoch keine Garantie dafür dar, dass die Aufgabenbewältigung auch immer und zu jeder Zeit befriedigend abläuft.“ Es gibt noch einige mehr Vorteile, weshalb sie in Unternehmen so beliebt sind. Kompetenzen lassen sich mit Hilfe von Verhaltensindikatoren messen (bspw. durch Interviews).  

Dafür bedarf es nicht unbedingt Wissenschaftler oder Eignungsdiagnostiker in der Personalabteilung.
Kompetenzen können auch trainiert werden. Sie lassen sich zudem ökonomisch einsetzen, da sie eher allgemein sind. Daher können sie sowohl für die Selektion als auch für Personalentwicklung und Entlohung genutzt werden. Ein weiterer Pluspunkt ist die höhere Akzeptanz bei den Betroffenen durch engeren Bezug zu den Tätigkeiten. Negativ zu bewerten ist die steigende Anzahl an verschiedenen Kompetenzen, bei denen scheinbar lediglich Substantive vor den Begriff Kompetenz gesetzt werden. Schuler erkannte die Problematik und gibt vor: „Die Rettung aus der Not der Unüberschaubarkeit erwächst denn doch aus einer Klassifikation.“

Die gebräuchlichste Einteilung ist in Selbst- bzw. Personalkompetenz, Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz. Dennoch basieren viele Kompetenzmessinstrumente auf der Einteilung von Erpenbeck und von Rosenstiel:

  • Personale Kompetenzen (P): Disposition, sich selbst einzuschätzen, Motive und produktive Einstellungen zu entwickeln, eigene Begabungen zu entfalten.
  • Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen (A): Disposition, mit eigenen Fähigkeiten/ Emotionen aktiv Pläne und Absichten umzusetzen.
  • Fachlich-methodische Kompetenzen (F): Disposition, bei sachlichen Problemen mit Kenntnissen und Fertigkeiten lösungsorientiert und kreativ zu handeln.
  • Sozial-kommunikative Kompetenzen (S): Disposition, sich mit anderen auseinander-/zusammenzusetzen, sich beziehungsorientiert zu verhalten.

 

Im Rahmen der Personaldiagnostik interessiert man sich immer nur für einige wenige Kompetenzen, die für bestimmte berufliche Tätigkeiten von besonderer Relevanz sind.“ Man kann sie auch „Kernkompetenzen“ nennen. Der Begriff „Kernkompetenz“ von Hamel und Prahalad kommt vorwiegend im Kontext der strategischen Unternehmensführung vor. Die Kernkompetenz soll einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen, indem Fähigkeiten herausgearbeitet und fokussiert werden, die das Unternehmen besser beherrscht als die Konkurrenz.

Ähnlich könnte man die Bedeutung auf Kernkompetenzen in der Eignungsdiagnostik übertragen. Im HRM Kontext versteht man unter Kernkompetenzen zentrale und für alle Mitarbeiter oder Berufsgruppen geltende Fähigkeiten oder ganz einfach ausgedrückt: „ein Set handlungsorientierter Verhaltensmuster […], welche die Beurteilung der Gesamtkompetenz und somit des Erfüllungsgrades seiner heutigen Aufgaben sowie seines Potenzials für künftige, weiterführende Aufgaben ermöglicht.“

Was muss in der Personaldiagnostik bzgl. Kompetenzen nun beachtet werden? Kompetenzen sind nur im Handlungskontext beobachtbar, können nur über Selbstauskünfte der Personen ermittelt werden und sich durch die Person selber oder durch Dritte verändern. Daraus folgt, dass eine objektive Kompetenzmessung eigentlich nicht denkbar ist. Eine Möglichkeit zur Bestimmung der Kompetenzen für das Anforderungsprofil ist die Operationalisierung des Konstrukts in Verhaltensindikatoren. Durch die Analyse von erfolgreichen Verhaltensmustern ist damit eine kompetenzbasierte Potenzialanalyse durchführbar.

Fortsetzung folgt – wer jetzt schon neugierig ist und gerne die gesamte Arbeit lesen möchte, einfach Bescheid geben!

Herzliche Grüße
Claudia

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