Gründe für Fachkräftemangel: Wo sind all die Mitarbeiter:innen hin, wo sind sie geblieben?

Wo sind denn all die Menschen hin? Welche Gründe für den Fachkräftemangel gibt es? Das fragen mich in den letzten Wochen bzw. Monaten alle meine Kund:innen und es wird auch online diskutiert. Die eine richtige und umfassende Antwort auf diese Frage gibt es nicht, aber ich versuche in diesem Blogbeitrag ein paar Argumente aufzuzeigen, warum der Bewerber:innenmarkt immer dünner und dünner wird.

Bevor wir ins Thema „Gründe für den Fachkräftemangel“ einsteigen, zuerst einmal sorry für den Titel dieses Blogartikels. 😅Falls du jetzt einen Ohrwurm hast, ich konnte nicht widerstehen (und wenn du keine Ahnung hast, was ich meine, dann bist du definitiv kein Boomer).

Du bist Recruiter:in und bemerkst schon seit Längerem eine Flaute bei den Bewerbungen? Vielleicht hast du auch schon Google angeworfen und „Gründe Fachkräftemangel“ oder „Ursachen für Fachkräftemangel“ recherchiert.

Dann hast du wahrscheinlich schon herausgefunden, dass die Gründe für den Fachkräftemangel facettenreich sind, die EINE Antwort auf die Frage nach den Ursachen gibt es nicht. Es ist ein Konglomerat aus vielen Faktoren, aber eines nach dem anderen.

Zu viele Jobs für zu wenige Menschen

Schauen wir uns zunächst die Ausgangssituation und damit eine der wichtigsten Ursachen für den Fachkräftemangel an: Das Überangebot an attraktiven Jobs im Vergleich zum Mangel an Bewerber:innen.

2014 waren in Österreich im Schnitt 26.320 offene Stellen zu besetzen, im Juni 2022 im Vergleich dazu 141.000 Stellen. Heute sind somit fünfmal so viele Stellen zu besetzen wie damals – im Verhältnis müsste die Bevölkerung somit auch um das Fünffache gewachsen sein, was nicht der Fall ist.

Denn 2014 umfasste die österreichische Bevölkerung 8,5 Millionen Menschen, davon waren 5,6 Millionen Menschen erwerbstätig. 2022 leben 9 Millionen Menschen in Österreich, davon sind 6 Millionen Menschen im Erwerbsleben.

Die Arbeitslosigkeit ist derzeit so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Demographische Entwicklung

2001 bis 2011 ist die österreichische Bevölkerung aufgrund eine höheren Geburten- als Sterberate und aufgrund von Zuwanderung gewachsen. Circa zwei Drittel der Bevölkerung waren 2011 im erwerbsfähigen Alter. In den Jahren zwischen 2001 und 2011 sind viele Menschen aus geburtenstarken Jahrgängen in Pension gegangen, die Lebenserwartung steigt gleichzeitig. Es gib immer mehr Menschen im Alter von 65 plus, wie du im Census 2011 nachlesen kannst.

Wir werden also immer älter und es gibt zwar mehr Menschen aber weniger im erwerbsfähigen Alter. Nicht umsonst gibt es schon die Idee, das Pensionsalter hinaufzusetzen.

Die (Arbeits-)Migration hat sich verlangsamt

Das Phänomen der Arbeitsmigration kennen wir in Österreich bereits aus den 60er-Jahren – heute gehört es zu den Gründen für den Fachkräftemangel. Die ursprüngliche Idee war es, Menschen aus dem Ausland für einige Jahre nach Österreich zu holen, eine Integration war nicht angedacht.

Mittlerweile ist es relativ einfach, Bürger:innen aus anderen EU-Staaten anzustellen aber für alle Nicht-EU-Staaten benötigst du eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für alle Arten von Beschäftigung. Diese bürokratische Hürde würdest du möglicherweise auch überwinden. Aber wo sind denn alle Gastarbeiter:innen aus den Nachbarländern?

Die bleiben nun ebenfalls aus, weil die wirtschaftlichen Entwicklungen rund um Österreich dafür gesorgt haben, dass die Unterschiede im Lohngefälle nicht mehr so gravierend sind. Außerdem gibt es in unseren Nachbarländern ähnliche Zahlen was den Arbeitsmarkt betrifft – also ein Überangebot an Jobs im Vergleich zu potenziellen Bewerber:innen. Wer also die Wahl hat in der Heimat zu arbeiten, statt eine lange Anreise in ein Nachbarland in Kauf zu nehmen, wird diese Option wohl vorziehen.

Die Qualifikationen stimmen nicht (mehr)

Wenn es darum geht, die geeigneten Menschen für offene Stellen zu finden, kommen unweigerlich die gewünschten Qualifikationen ins Spiel. Hier lassen sich aktuell zwei Szenarien beobachten, die auf den Generationenwechsel am Arbeitsmarkt und die ständig voranschreitende Digitalisierung zurückzuführen sind:

  • Die Kompetenzen, die gefordert werden, sind sehr „alt“ und kaum jemand hat noch die Skills, weil die Mitarbeiter:innen von damals in Pension gegangen sind.
  • Die Kompetenzen, die gefordert werden, sind sehr neu und kaum jemand hat schon die Skills. Die Aus- und Weiterbildung der Arbeitskräfte passt sich also nicht schnell genug an die die Anforderungen der ausgeschriebenen Stellen an – es fehlt schlicht an den Fähigkeiten.

Mangelnde Qualifikationen der Arbeitnehmer:innen sind somit auch ein wesentlicher Grund für den Fachkräftemangel.

Mein Tipp: Diesen Grund kannst du (wenn du nicht gerade auf der Suche nach Herzchirurg:innen bist) 😉 relativ leicht aushebeln: setze auf Kompetenz statt Qualifikation.

Viele Frauen fehlen aufgrund der Corona-Pandemie

Frauen sind nach wie vor in unterqualifizierten und auch unterbezahlten Jobs tätig und sind die Verliererinnen der letzten Jahre.

In den USA sind während der Corona-Anfangsphase viele Frauen aus ihren Jobs ausgeschieden, weil sie ihren Betreuungspflichten nachkommen mussten. Allein im September 2020 waren es laut Informationen des Bureau of Labor Statistics 865.000 Frauen, die dem Berufsleben den Rücken kehrten. Dasselbe taten im Vergleich dazu nur 216.000 Männer. Viele der Arbeitnehmerinnen kamen nicht wieder retour und fehlen jetzt dem Arbeitsmarkt.

In Österreich lässt sich ein ähnliches Phänomen beobachten. Das Fehlen der zuvor erwerbstätigen Frauen ist somit ein weiterer Punkt auf der Liste der Ursachen für den Fachkräftemangel.

Jugendliche erleben eine Zeit, die geprägt ist von Unsicherheit

Der Jobselling Report 2022 „Junge Österreicher:innen finden und binden“ von Heinz Herczeg zeigt unter anderem auf, dass 40 % der befragten weiblichen Jugendlichen Angst vor Wohlstandsverlust haben. 39 % der Jugendlichen sind unzufrieden mit ihren beruflichen Chancen und 54 % der weiblichen Jugendlichen empfinden hohen Stress.

Jede Bewerbungssituation würde zwar vielleicht eine Verbesserung bedeuten, ist allerdings im ersten Schritt eine Stress-Situation, der sich derzeit manche einfach nicht aussetzen wollen.

In diesem Video bekommst du noch mehr Einblicke.

Um die mangelnde Wechselbereitschaft zu umgehen, sind Arbeitgeber:innen somit besonders gefordert. Die Argumente für einen Jobwechsel und der Nutzen für die Arbeitnehmer:innen müssen klar und deutlich sein, damit sich der Aufwand einer Bewerbung lohnt. Arbeitgeber:innen, die nicht auf den ersten Blick die gewünschten oder benötigten Rahmenbedingungen anbieten, sind daher ganz klar auf der Verliererseite.

Menschen, die es sich leisten können, versuchen sich in ihren Traumjobs

Wie eingangs schon erklärt, gibt es deutlich mehr Jobs als Arbeitskraft vorhanden ist. Das führt dazu, dass sich der Jobmarkt zu einem Bewerber:innen-Markt entwickelt hat. Die Jobsuchenden sind in der glücklichen Situation, dass sie sich die Rosinen aus dem Kuchen picken können.

Das hat auch dazu geführt, dass die früher sehr engen Vorgaben, im Sinne von „es muss unbedingt ein absolviertes Studium der Studienrichtung XY sein, sonst kommt die Person im Bewerbungsprozess nicht weiter“ aufgeweicht werden.

Alles, wo es keine gesetzlichen Vorgaben gibt, sind keine Muss-Kriterien mehr und plötzlich werden auch Gespräche mit Kandidat:innen geführt, die früher nicht eingeladen worden wären. Wenn deren Potenzial erkannt wird, ist der Umstieg in den Traumjob geschafft.

Candidate Experience ist ein Fremdwort

Ein weiterer Faktor, der Unternehmen garantiert NICHT zum Talente-Magneten macht, ist die die fehlende Candidate Experience – die ist vielerorts leider nach wie vor ein Fremdwort. Laufend kommen mir Karrierewebsites unter, die noch nicht responsive gestaltet sind und somit auf mobilen Endgeräten nicht korrekt angezeigt werden. Oder ich lese Stellenausschreibungen, in denen ein Motivationsschreiben verlangt wird und die lediglich das Mindestgehalt beinhalten.

Punkte wie diese sind absolute No-Gos und reduzieren die Chancen, dass qualifizierte Bewerbungen in deinem Posteingang landen, maßgeblich. Dabei wäre bei vielen Kandidat:innen die Bereitschaft zu wechseln durchaus gegeben, sofern das Angebot stimmt und dein Unternehmen klar als attraktiver Arbeitgeber erkennbar ist.

Gründe für Fachkräftemangel – mein Fazit

Wenn du mich nach den Ursachen für den Fachkräftemangel fragst, kann ich dir leider nicht die EINE eindeutige Antwort geben, denn es gibt viele Faktoren, die dazu führen. Was ich aber ganz sicher weiß: Als Arbeitgeber:in bist du heute (und ganz sicher auch in den nächsten zehn Jahren noch) mehr gefordert denn je, eine ausgeklügelte Jobmarketing-Strategie zu entwickeln. Diese reicht von der Gestaltung deiner Stelleninserate über eine User- und Google-freundliche Karrierewebsite bis hin zum gezielten Social-Media-Recruiting.

Nur so hast du im umkämpften Arbeitsmarkt, der sich immer mehr zum Bewerber:innen-Markt entwickelt, überhaupt noch eine Chance wahrgenommen zu werden und die passenden Bewerber:innen zu erreichen.

Und falls du dabei Unterstützung brauchst – du weißt ja, wo du mich findest. 😉 Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Recruiting wieder einfach für dich wird.

Herzliche Grüße,

Claudia