Das perfekte Stelleninserat

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Recruitingpraxis
Gibt es das perfekte Stelleninserat? Ist viel oder wenig Text besser? Sind Bilder
notwendig? Bringt eine kreative Stellenanzeige mehr Bewerbungen?
Beispiel
aus meiner Recruitingpraxis: Kunde, in diesem Fall recruitierende Führungskraft
sucht Mitarbeiterin, genauer gesagt IT Spezialistin und bittet mich um
Unterstützung. Auf meine Frage nach einem Stellen- oder Anforderungsprofil
kommt voller Stolz die Antwort: „ich habe sogar schon einen Inseratsentwurf.“
Na bitte, wer sagt’s denn, ist ja meine Arbeit quasi schon erledigt ;-). Ich
erhalte den Entwurf per Mail und wir treffen uns zum persönlichen
Briefinggespräch. Ich bereite mich natürlich vor und gehe ein wenig unsicher zu
unserem Treffen. Kann es sein, dass das geforderte Profil gar nicht existieren
kann? Weil hier sowohl Ausbildungen als auch Berufserfahrung gefordert werden,
die höchst konträr sind? Die berühmte eierlegende Wollmilchsau? Mit einem
verschmitzten Lächeln kommt die Antwort „Ja das stimmt schon aber ich habe mir
gedacht wir legen die Latte mal recht hoch, Abstriche kann man ja dann immer
noch machen.“
Anderes
Beispiel aus meiner Recruitingpraxis: Gesucht wird ein/e Sozialpädagogin, im
Inserat konkret aufgezählt, welche Ausbildungen notwendig sind. Ich erhalte den
Anruf eines Bewerbers, der eine Absage von mir bekommen hat, mit der Bitte um
Feedback zum Grund der Absage. Ich suche mir die Bewerbungsunterlagen raus und
siehe da, er hat Sportwissenschaften studiert. Ich gebe also – jetzt aus meiner
Sicht bereits das 3. Mal – Auskunft (Inserat, Mail mit Hinweis, dass formalen
Voraussetzungen nicht erfüllt sind und jetzt das Telefonat) und höre dann „Ja
ich weiss eh, aber die schreiben ja immer irgendwas rein!“.
Öha! Also
Führungskräfte und vielleicht auch Recruitingkolleginnen suchen nach
Qualifikationsprofilen, die’s nicht gibt und Bewerberinnen glauben sowieso
nicht an das was in den Inseraten steht. Und dann wundern sich alle, wenn es
300 Bewerbungen gibt aber niemand passt für den Job!
Wer
aktuell auf Jobsuche ist oder wie ich, berufsbedingt, jedes Wochenende den
Stellenmarkt in den österreichischen Printanzeigen durchblättert ist vielleicht
auch schon auf das folgende Phänomen gestossen:
„Sie
bringen mit:
  • ·
    Abgeschlossene kaufmännische oder technische
    Ausbildung
  • ·
    Einschlägige Berufserfahrung
  • ·
    Serviceorientierung
  • ·
    Teamorientierung
Wir
bieten:
  • ·
    Entwicklungsmöglichkeiten
  • ·
    Sozialleistungen
  • ·
    Angenehmes Arbeitsumfeld“
Passt,
alle Punkte abgenickt? Hervorragend, Sie können sich sofort bewerben und zwar
auf folgende Positionen (Aufzählung nicht vollständig ;-):
  • ·
    AssistentIn
  • ·
    Sales Manager
  • ·
    LogistikerIn
  • ·
    SoftwareentwicklerIn
Zugegeben,
ein paar Infos habe ich vorenthalten aber die aufgezählten Punkte finden sich
in mindesten jedem 2. Stelleninserat. Heisst
das, alle Unternehmen suchen die gleichen Mitarbeiterinnen (die es eh nicht
geben kann)? Oder sind das vielleicht die Phrasen, die die meisten
Bewerberinnen anziehen (die ihnen ja eigentlich eh völlig egal sind)? Gibt es
vielleicht einen geheimen Codex, der es Recruiterinnen verbietet auch einmal
andere Wörter zu verwenden?
Nein
trifft alles nicht zu. Oder vielleicht ein bisschen. Ausser das mit dem Codex
😉
Also gibt
es die perfekte Stellenanzeige? Ich sage nein. Die kann es nicht geben. Weil
Geschmäcker eben (gottseidank) unterschiedlich sind und was die eine anspricht
und gut findet, findet eine andere eben schlecht und gar nicht ansprechend. Und
was bedeutet überhaupt „perfekt“ in diesem Zusammenhang? Für mich wäre es dann
perfekt, wenn sich meine künftige Mitarbeiterin bewirbt. Und sonst niemand.
Aber wir wissen alle, dass das nur eine Illusion ist!
Trotzdem
gibt es ein paar Punkte, die
beachtet werden können und die ich allen, die für Stelleninserate verantwortlich
sind, ans Herz lege:
Authentizität
Im
Stelleinserat einer Spedition sieht man ein Bild mit Frauen in schwarzen
Hosenanzügen und Männern mit Krawatte. Gesucht werden IT SpezialistInnen. Im
Stelleninserat eines Kindergartens sieht man ein Bild mit einem Kleinkind und
einem Schmetterling. Was wirkt authentischer? Ich halte nichts davon,
potentiellen Mitarbeiterinnen etwas vorzugaukeln. Es gibt Unternehmen, da ist
der Dresscode „Anzug und Krawatte“ eben Pflicht, in anderen ein NO GO. Und das
sollte man bereits bei der Auswahl der Bilder beachten. Was bei Bildern noch
relativ einfach umsetzbar ist, gestaltet sich bei der Textierung schon ein
wenig schwieriger. Mehr dazu bei den nächsten Punkten.
Transparenz
Abgesehen
von den gesetzlichen Anforderungen, die ein Stelleninserat enthalten muss (Mindestentgelt,
diskriminierungsfrei) interessiert Jobsuchende sicherlich folgendes:
  • WER sucht: gerade wenn es
    sich um Unternehmen handelt, die vielleicht in der Öffentlichkeit nicht so
    bekannt sind ist eine kurze Info über den Unternehmensgegenstand und
    idealerweise noch über die Abteilung für die gesucht wird hilfreich. Eine Ansprechpartnerin
    kann auch nützlich sein, siehe nächster Absatz.
  •  WO wird gesucht: stellen
    Sie sich vor, Sie schalten eine Printanzeige und suchen eine Spezialistin mit
    Branchenerfahrung. Zufällig liest Frau X, DIE Spezialistin am Markt, am
    Wochenende Ihre Anzeige. Ist zwar gerade nicht auf der Suche aber die Position
    klingt spannend. Also überfliegt sie nicht nur die Headline sondern liest
    aufmerksam das Inserat. Klingt immer noch spannend aber eine Frage bleibt
    offen. Wo wäre denn der Arbeitsort? Je nachdem wie hoch ihr Interesse jetzt
    immer noch ist blättert sie entweder gleich weiter – und das war’s  –
    oder aber sie macht sich noch die Mühe und schaut schnell auf Ihre
    Firmenhomepage. Sie haben 4 unterschiedliche Standorte. Wenn sie nicht jetzt
    entnervt aufgibt, haben sie noch eine winzige Chance: sie ruft die im Inserat genannte
    Ansprechpartnerin an und fragt nach. Keine angegeben. Ohje.
  • WAS wird gesucht: welche
    Qualifikationen sind unbedingt erforderlich, welche wären nett und noch viel
    wichtiger: was wäre denn zu tun? Die Jobbezeichnung alleine reicht nicht aus, überlegen
    Sie einmal welche Bandbreite die Position „Assistenz“ bietet …
  • WANN wird gesucht: ab wann
    ist die Position optimalerweise zu besetzen, gibt es eine Bewerbungsfrist, ist
    es vielleicht eine befristete Stelle?
  • WIE soll die Bewerbung
    erfolgen? Online-Tool auf der Homepage, E-Mail, welche Unterlagen brauchen Sie
    unbedingt?
  • WELCHE Rahmenbedingungen sind gegeben? Teilzeit, Vollzeit, gibt es fixe Arbeitszeiten, Betriebsurlaub, … Ist Ihnen folgendes schon passiert: Ihre absolute Traumkandidatin hat sich beworben. Alles passt gut, das Gehalt ist bereits vereinbart, der Termin für die Vertragsunterzeichnung steht an. Und dann sagt sie: „Ach ja, ich fliege übrigens immer im November für 4 Wochen nach Thailand – ist sicher kein Problem oder?“ Könnte ein Problem sein. Oder zumindest ein Problemchen. Dann nämlich wenn in Ihrem Unternehmen z.B. im Sommer 3 Wochen Betriebsurlaub ist. Oder gerade im Novemer die absolut wichtigste Branchenmesse ist, wo die neue Kollegin unbedingt vor Ort sein sollte.
  • Und jetzt sollten Sie noch eines wissen: WER ist ihre Zielgruppe! Versetzen Sie
    sich in Ihre künftige Mitarbeiterin und texten Sie das Inserat so, dass sie
    sich angesprochen fühlt, versteht, was zu tun ist und alle Informationen hat,
    um entscheiden zu können, ob sie sich bewirbt oder nicht. Und wenn noch eine
    Frage offen ist, dann hilft ein kurzes Telefonat manchmal wirklich weiter.
Weniger ist mehr
Das ist
die hohe Kunst des Textieren für Stelleninserate: so viel Information wie
möglich in so wenig Text wie nötig zu verpacken. Und das den gesetzlichen
Vorgaben entsprechend, zielgruppengerecht angepasst und trotzdem authentisch.
Bei jedem Inserat wieder. Klingt nicht einfach und ist es auch nicht. Bin daher der Meinung, dass diese Aufgabe eher nicht bei den Führungskräften liegen sollte (ausser vielleicht für Head of Marketing & Communication).
Kontrolle
Tippfehler,
Wortwiederholungen, falsche Daten, falsche E-Mail Adressen … kann in der Hitze
des Gefechtes alles vorkommen. Daher unbedingt Korrektur lesen lassen. Am
besten zweimal. Nix peinlicher als wenn man z.B. bei den Anforderungen perfekte
„Rechtscheibkenntnisse“ stehen hat … ;-).
Den
Einsatz von Bildern finde ich
grundsätzlich gut, allerdings gibt’s auch hier wieder einiges zu beachten.
Abgesehen davon, dass man natürlich das Urheberrecht an dem Bild haben muss,
sollte es auch zum Unternehmen und zur Funktion passen (siehe meine am Anfang
erwähnten Beispiele). Bilder transportieren Inhalte, können emotional
aufgeladen sein, können irritieren. Daher müssen Bilder für Stelleninserate
besonders sorgfältig ausgewählt werden, optimalerweise extra dafür gemacht –
wie in diesem Beispiel:

 

Das ist
natürlich ein Beispiel für eine kreative Anzeige in einer kreativen Branche. In
einer anderen Branche, für eine andere Funktion braucht es etwas anderes. Das
erfordert viel Know How und Zeit, ein wenig Budget schadet auch nicht. So
einfach wie bei Google wird es wohl bei den meisten nicht:

 

Ja ja ich
weiss ich weiss, die Recruitingverantwortlichen in den Konzernen werden jetzt
sofort argumentieren: aber unsere CI Vorgaben, unsere Standards, unsere
Möglichkeiten sind begrenzt. Ja sind sie. Also gibt es zwei Möglichkeiten: das Beste
draus machen oder hinterfragen und vielleicht länderspezifische Standards
einführen. So ihr lieben KMUs – da ist euer Vorteil im Recruiting, nützt ihn!
Und wenn
es dann endlich fertig ist das perfekte Stelleninserat bleibt nur noch eines –
die Überlegung wo das denn jetzt geschalten wird! Und gleich die nächste Frage:
muss es immer ein Inserat sein? Einem Aspekt habe ich mich mit dem Beitrag zur
Jobbörse 2.0 schon gewidmet, es folgt noch mehr!
Herzliche
Grüße Claudia