Drittes Geschlecht in Stelleninseraten

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Recruitingpraxis

In Stelleninseraten das dritte Geschlecht nicht anzuführen gilt seit 2019 als Missachtung des Gleichbehandlungsgesetzes. Alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen und trotzdem maximal ansprechende Texte formulieren? Das ist nach wie vor herausfordernd. Eine Hilfestellung für die Recruitingpraxis.

Stelleninserate zu texten ist für die meisten Recruitingverantwortlichen nicht das wirklich Spannende am Recruitingjob. Es gilt Vieles zu beachten, die richtigen Bilder zu verwenden, copy paste passt auch nicht mehr, an die Zielgruppe sollen wir denken … und, und, und. Mit der Anerkennung des 3. Geschlechts wird die Textierung eines ansprechenden Stelleninserates nochmal erschwert.

Die Fakten

  • Laut einer EU-Studie sind 1,79 Prozent der Bevölkerung weder Mann noch Frau, besitzen also genetische, anatomische oder hormonelle Eigenschaften, die weder eindeutig männlich noch weiblich sind; bis zum Vorjahr mussten sich Betroffene für ein Geschlecht entscheiden.
  • Im Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist die „geschlechtliche Identität und Selbstbestimmung“ verankert, die „insbesondere Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung“ schützt.
  • Die Klage des intergeschlechtlichen Aktivisten Alex Jürgen* im März 2018 veranlasste den Verfassungsgerichtshof, das Personenstandgesetz amtswegig zu prüfen. Die aktuelle Handhabung des Gesetzes wurde berechtigt angezweifelt, wonach das Geschlecht eines Menschen zwingend als männlich oder weiblich angegeben werden musste.
  • Am 15.6.2018 wurde entschieden, dass neben männlich und weiblich auch ein dritter Geschlechtseintrag geschaffen werden muss. Das betrifft aber weder Transgender noch Transsexuelle, da diese ein biologisch eindeutiges Geschlecht haben.
  • Die Bioethikkommission im Bundeskanzleramt schlägt folgende Geschlechtsbezeichnungen vor, die auch von der Community favorisiert werden: „divers“, „inter“ oder „offen“.
  • Am 20.12.2018 veröffentlichte das BMI den Erlass zur behördlichen Umsetzung der VfGH-Entscheidung, die durchaus kritisch gesehen wird: Statt Selbstbestimmung fordert es von intergeschlechtlichen Personen ein ärztliches Gutachten, aber nicht vom Arzt der eigenen Wahl, sondern erstellt von einem dem Gesundheitsministerium unterstellten Board.
  • Seit 1.1.2019 wird das dritte Geschlecht im Personenstandregister geführt.

Stelleninserate in Österreich aktuell

  • Muss das 3. Geschlecht angegeben werden? Das Gleichbehandlungsgesetz greift unabhängig von der geschlechtlichen Zuordnung, da es Minderheiten schützt – und damit intersexuelle Menschen. Deshalb sind Formulierungen wie m/d/w grundsätzlich Pflicht.
  • Der Zusatz m/w in Stellenausschreibungen sollte unbedingt verwendet werden. Und zwar inklusive „d“ für divers oder „i“ wie inter.
  • Im Idealfall gibt es geschlechtsneutrale Varianten von Berufsbezeichnungen wie „Reinigungsfachkraft“. Bei einigen Berufen ist das – sagen wir einmal – „knifflig“: Wie soll man Logopäde/Logopädin geschlechtsneutral formulieren? Vorschläge wären „Person mit Bachelorabschluss in Logopädie“ oder „Person mit abgeschlossenem Logopädie-Studium“.
  • Manchmal stößt man sprachlich an die Grenzen des Machbaren, deshalb müssen Recrutierende kreativ werden und beispielsweise die „Position einer LKW-fahrenden Person“ ausschreiben.

Mit der Stellenausschreibung allein ist es nicht getan

Zu bedenken sind unter anderem die persönliche Ansprache im Antwortschreiben/Absagen/die Beschriftung der Waschräume in den Büros/die gesamte interne Kommunikation/Angaben zum Datenschutz auf der Website und, nicht zu vergessen, die Texte auf den Karrierewebseiten und in den Inseraten. Es gibt weit mehr zu berücksichtigen als nur die Stellenbezeichnung. Auffällig ist, dass Unternehmen mit dem Zusatz (m/w/d) bereits sehr wohl alle drei Geschlechter berücksichtigen, in der Ausschreibung aber auch heute noch immer wieder Sätze wie „Wir haben xx Mitarbeiter“ oder „Wir suchen eine/n Mitarbeiter“ zu finden sind.

Was du keinesfalls vergessen solltest, sind deine Online-Bewerbungsformulare. onlyfy one (früher Prescreen) hat die Auswahl-Möglichkeit für das 3. Geschlecht bereits Ende 2018 implementiert.

Mehr zum Thema: Anlaufstellen

  • Blogeintrag von karriere.at zum Thema.
  • Die Entscheidung des VfGH für alle, die es genau wissen wollen. 😉
  • Weiterführende Infos bietet die Kurzinformation der Anwaltschaft für Gleichbehandlung.
  • Die Plattform Intersex Österreich setzt sich für die Verbesserung der Lebenssituation intergeschlechtlicher Menschen ein.

Meine persönliche Lösung

Meine Blogbeiträge erscheinen seit Februar 2015 in der weiblichen Form (und sollte ich das einmal vergessen haben, ich meine immer alle Menschen). Ich habe versucht, diesen Beitrag bewusst geschlechtsneutral zu formulieren. Nicht ganz einfach, aber es gibt Möglichkeiten. Seit 2019 werden alle meine Blogbeiträge, Newsletter, etc. geschlechtsneutral geschrieben. In der Praxis hat sich ein Sprachleitfaden als Hilfestellung sehr bewährt. Den einmal aufzusetzen, lohnt sich ganz sicher. Wie geht es dir mit dem Thema 3. Geschlecht und geschlechtsneutrales Recruiting? Hast du gute Beispiele für mich? Immer her damit!

Herzliche Grüße
Claudia

P.S.: Ich habe keinen blassen Schimmer wie es dazu kam und konnte es selbst kaum glauben, aber es ist wahr: Ich bin für den DRX Award nominiert! Und zwar in der Kategorie „Content Expert:in“. Vielen Dank an jene, die mich dafür vorgeschlagen haben und ein großes Danke schon jetzt an alle, die für mich voten. Das Voting ist jetzt möglich: DRX Voting