Gendern im Recruiting in Österreich: Mein ultimativer Guide für HR-Verantwortliche  

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Recruitingpraxis

Gendern begleitet uns im Recruiting schon eine ganze Weile. Trotzdem taucht das Thema unweigerlich bei jeder Beratung zum Beispiel zu Jobinseraten oder Karrierewebsites und auch bei Workshops auf. Wie gendere ich eigentlich richtig? Welche Form ist die beste? Was bedeutet eine Stellenanzeige genderneutral oder gendergerecht zu formulieren? In diesem Blogbeitrag gebe ich dir einen Überblick über die Möglichkeiten und verrate dir, warum ich mich vor einiger Zeit entschieden habe, auf eine Form des Genderns zu setzen. 

Warum ist gendern im Recruiting ein Thema? 

Argument Nr. 1 – weil es verpflichtend ist 

Nicht meine Lieblingsantwort, aber so erstickst du jede Diskussion darüber im Keim. 

Das Gleichbehandlungsgesetz für Unternehmen sieht ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren vor: 

„Die Personalauswahl muss ausschließlich anhand von nicht diskriminierenden Kriterien – etwa Qualifikation und fachliche Eignung – getroffen werden, Stellenwerber:innen dürfen aufgrund der geschützten Merkmale (Rassismus, sexuelle Orientierung, Alter, Religion oder Weltanschauung und Geschlecht) nicht benachteiligt werden.“ 

Seit September 2020 bestehen in Österreich im Zentralen Personenstandsregister sechs Optionen zur Geschlechtseintragung: weiblich, männlich, inter, divers, offen oder ohne Geschlechtseintrag. 

Dies muss sich in deinem gesamten Bewerbungsprozess widerspiegeln, nicht nur im Jobinserat. Wie sieht es zum Beispiel mit der Auswahl der Anrede in deinem Bewerbungsmanagementsystem oder mit deinen Formulierungen in Absageschreiben aus? 

Argument Nr. 2 – willst du wirklich nur Männer ansprechen? 

Studien zeigen auf, dass die meisten Menschen das tatsächliche Geschlecht assoziieren und nicht daran denken, dass ja Frauen auch gemeint sein können. Wenn du dich speziell dafür interessierst, Frauen anzusprechen, dann lies einfach meinen Blogbeitrag über Erfolgreiches Female Recruiting

Argument Nr. 3 – Menschen fordern gendergerechte Kommunikation ein 

Frauen, Männer, die LGBTIQ Community und ihre Unterstützer:innen setzen sich für eine gendergerechte Kommunikation und dadurch mehr Sichtbarkeit für alle Geschlechter ein. Du postest im Juni das Logo deines Unternehmens in Regenbogenfarben, aber deine Stellentitel weisen dieses Format auf: „Mitarbeiter (m/w/d)? Das fällt für mich eindeutig unter Pinkwashing und das durchschauen potenzielle Mitarbeiter:innen recht schnell. 

Wie soll ich im Recruiting gendern? 

Es gibt verschiedene Arten zu gendern, rein rechtlich ist es egal, für welche du dich entscheidest. Es muss klar sein, dass du immer alle Menschen meinst. Welche Schreibweise ich empfehle, verrate ich dir nach den Beispielen. 

Ich zeige dir die verschiedenen Möglichkeiten zu gendern, am Beispiel „Mitarbeiter“ (hier bewusst nicht gendert): 

Mitarbeiter (d/m/w) – das ist die Variante, die rechtlich ausreicht und die auch noch für Google am besten funktioniert.  

Möglich wäre natürlich auch Mitarbeiterin (d/m/w). In den letzten 12 Monaten wurde allerdings nach dem Begriff „Mitarbeiter“ in Österreich 80 (!)-mal häufiger gegoogelt als nach dem Begriff „Mitarbeiterin“. 

Mitarbeiterin, Mitarbeiter 

Die sogenannte Paarform, inkludiert allerdings nur zwei Geschlechter. In Österreich nicht mehr ausreichend, daher keine Empfehlung. 

MitarbeiterIn 

Das beliebte Binnen-I. Inkludiert ebenfalls nur zwei Geschlechter und Suchmaschinen erkennen das großgeschriebene I nicht, das bedeutet es wird „Mitarbeiterin“ gelesen. 

Mitarbeit 

Die neutrale Formulierung. Ich verwende zum Beispiel schon lange nicht mehr den Begriff „Bewerbermanagementsystem“, sondern stattdessen „Bewerbungsmanagementsystem“. Was es ja auch inhaltlich viel besser beschreibt, wir managen ja schließlich nicht die Bewerber:innen, sondern deren Bewerbungen. 

Eine neutrale Formulierung ist sehr oft möglich und eine großartige Möglichkeit, vollkommen diskriminierungsfrei zu gendern. Wenn du dabei Unterstützung brauchst, empfehle ich das Genderwörterbuch

Mitarbeiter / Mitarbeiterin / Mitarbeit 

Bei der abwechselnden Methode schreibst du im Text (Achtung Überraschung) immer abwechselnd die weibliche, die männliche und die neutrale Form. Finde ich persönlich relativ unübersichtlich, aufwendig und in der Praxis nicht ganz einfach umsetzbar. Wie formulieren wir denn dann den so wichtigen Jobtitel im Jobinserat? Also leider auch keine Empfehlung von mir. 

Mitarbeiter*in, Mitarbeiter:in, Mitarbeiter_in 

Diese Art der Formulierung nennt sich Gender-Gap und funktioniert mit Sonderzeichen wie zum Bespiel * oder : oder _. Diese Varianten sind nicht nur diskriminierungsfrei, sondern auch – zumindest bis zu einem gewissen Grad – inklusiv. Sie schließen alle Geschlechter ein, trotzdem sind sie nicht unumstritten. So sprechen sich Vertreter:innen der queeren Community eher für den * aus, da dieser mehr der Vielfalt entspricht. 

Die Formulierung mit Doppelpunkt ist eine gendersensible Formulierung. Der Lesefluss wird weniger gestört als bei dem Sternchen oder dem Underline. Screenreader können den Doppelpunkt besser vorlesen als andere Sonderzeichen, der Doppelpunkt wird als kurze Pause gelesen. Für Menschen, die die deutsche Sprache lernen kann diese Schreibweise jedoch ein Hindernis sein. 

Wenn dich das Thema interessiert, lies dazu gerne auch meinen Beitrag zum dritten Geschlecht in Stelleninseraten nach.

Gendern im Recruiting: Für welche Form ich mich entschieden habe 

Wie du vielleicht bemerkt hast, habe ich mich vor einiger Zeit entschieden, mit dem Doppelpunkt zu gendern. Davor habe ich konsequent die weibliche Form verwendet.  

Darüber hinaus versuche ich meine Texte möglichst neutral zu formulieren. Wie auch immer, ich meine IMMER ALLE Menschen.  

Genau das ist meine Empfehlung an dich: versuche eine neutrale Formulierung zu finden und entscheide dich zusätzlich für EINE gendersensible Form. Das klappt mit ein wenig Übung und gutem Willen wirklich sehr gut. 

In den meisten Unternehmen soll es ganz klar eine Form von gendergerechter Kommunikation geben. Oft gibt es dafür klare Richtlinien und auch einen Leitfaden. Ich gebe hier zu Bedenken, dass es möglicherweise sinnvoll ist, die Art des Genderns auch von der Zielgruppe abhängig zu machen. Außerdem macht es einen Unterschied, ob du online oder zum Beispiel für ein Printinserat formulierst. 

Drei Quellen, die dir beim Gendern im Recruiting garantiert weiterhelfen 

Gleichbehandlungsanwaltschaft 

Hier findest du Informationen insbesondere zum Thema diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren 

Genderwörterbuch 

Alleine für den Begriff „Mitarbeiter“ findest du hier ganz schnell 20 Alternativen

Diversity Texterin  

Lucia Clara Rocktäschl hat sich auf Diversity Texte spezialisiert. Auf ihrem Instagram Account findest du jede Menge Tipps und Tricks. 

Gendern im Recruiting in Österreich – mein Fazit  

Die eine richtige Art zu gendern, gibt es (noch) nicht. Nicht zu gendern ist keine Alternative. Einerseits weil es rechtlich vorgegeben ist und andererseits, weil die Art zu formulieren auch dein Image als Arbeitgeber:in wiederspiegelt.  

Gendern muss nicht kompliziert sein und stört – gut eingesetzt – auch den Lesefluss nicht. Persönlich setze ich auf neutrale Formulierungen und (noch) den Doppelpunkt, behalte mir aber vor, dies wieder zu ändern, wenn es neue Erkenntnisse oder oder sogar noch bessere Möglichkeiten zur Formulierung gibt. 

Versuche neutral zu formulieren und setze auf diskriminierungsfreie Texte damit Recruiting für dich wieder einfach wird. 

Herzliche Grüße 

Claudia 

P.S.: Wenn du deine Jobinserate diskriminierungsfrei, zielgruppengerecht und Google-optimiert formulieren möchtest, dann schau doch mal zu meinem Angebot Candidate Experience